Förderung der Gruppenarbeit

Bevor Sie nach potenziellen Lösungen für eine bessere Gruppenarbeit in Ihrer Lehre suchen, ist es angebracht, zunächst die möglichen Ursachen des Misslingens zu untersuchen. Diese Ursachenanalyse können Sie selbst vornehmen. Oder Sie suchen gemeinsam mit den Studierenden nach Gründen - im Sinne einer beiderseitigen Weiterentwicklung. Somit könnten Sie zudem die Beteiligung an der Lehre und die Reflexionsfähigkeit der Studierenden fördern. Sie schaffen Möglichkeiten zur Interaktion und stärken die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. „Denn wirklich negative Konsequenzen für Ihre Lehre hat es nicht, wenn einmal eine Übung scheitert oder nicht gut läuft; das ist normal. Zu deutlich negativen Konsequenzen kann es aber führen, wenn die zwischenmenschliche Beziehung scheitert.“ (Wörner, 2008)

Schwierigkeiten und potentielle Werkzeuge

1. Die Struktur der Aufgabenstellung fördert die Gruppenarbeit nicht.

Dozenten können sehr kreativ bei der Erstellung von Gruppenarbeit sein, um Studierende intellektuell herauszufordern, um innovative Methoden und Lösungen anzuregen und um fachübergreifendes Wissen zu fördern. Allerdings wird häufig nicht ausreichend beachtet, ob die Struktur der Aufgabenstellung auch zu Gruppenarbeit führt. Dies kann unbeabsichtigt zu negativen Konsequenzen führen. So kann es sein, dass sich einzelne Teilnehmer nicht für die Gruppe engagieren („Trittbrettfahrer“) oder ein Teilnehmer reißt die Arbeit komplett an sich, weil er von einer Inkompetenz der anderen Gruppenmitglieder überzeugt ist („Überflieger“). Außerdem kann eine Spaltung der Gruppe auftreten, sodass die Teilnehmer parallel anstelle miteinander arbeiten.

Bevor Sie die Aufgabenstellung strukturieren, überlegen Sie genau, welche Fähigkeiten Ihre Studierenden entwickeln sollen und wie umfänglich die Zusammenarbeit unter den Studierenden ausfallen soll. Ist aus ausreichend, dass die Studierenden die Aufgabe in ihrer Gruppe teilen und untereinander zuordnen, damit jedes Gruppenmitglied unabhängig voneinander einen Beitrag zum Ergebnis leistet (kooperatives Lernen)? Oder ist es wichtig, dass die Studierenden eng zusammenarbeiten, Debatten führen, Ideen anwenden und überdenken und kollektiv vorgehen (kollaboratives Lernen)? Ihre Ziele müssen durch die Struktur der Aufgabenstellung widergespiegelt und unterstützt werden.

Falls in Ihrer Veranstaltung ein hoher Grad an Zusammenarbeit erreicht werden soll, strukturieren Sie die Aufgabenstellung so, dass die Gruppenmitglieder voneinander abhängig sind. Ein Weg das zu erreichen ist, die Aufgaben so komplex zu gestalten, dass Studierende nicht effektiv allein arbeiten können, sondern von Fähigkeiten, Wissen und Perspektiven der anderen Gruppenmitglieder abhängig sind. Weitere Wege um gegenseitige Abhängigkeiten in die Aufgabenstellung zu integrieren sind:

  • gemeinsame Ziele, die nur durch die Zusammenarbeit mit dem kompletten Team erreicht werden können
  • gemeinschaftliche Anerkennung (gemeinsame Note), die von der Leistung eines jeden in der Gruppe abhängt
  • begrenzte Ressourcen, die von den Studierenden das Teilen von Material und Informationen erfordert
  • sich ergänzende Rollen (jedes Gruppenmitglied nimmt eine Rolle an, die unverzichtbar für den Erfolg des Projektes ist und einen besonderen Anteil beiträgt)

Um einzelne Studierende zur aktiven Mitarbeit zu motivieren, ist es wichtig, eine Komponente der individuellen Verantwortlichkeit in Ihre Aufgabenstellung einzubauen. Mit anderen Worten: zusätzlich zur Bewertung der Leistung der Gruppe als Ganzes, verlangen Sie von jedem einzelnen Studierenden einen Lernnachweis (z.B. Tests, Belegarbeiten, Lerntagebuch). Studierende neigen in Gruppen deutlich weniger zur Passivität, wenn Sie wissen, dass ihre persönliche Leistung in die Note mit einfließt.

Außerdem können Sie den Studierenden Rückmeldungen ermöglichen, inwiefern sie sich in die Gruppe eingebracht haben (z.B. Anstrengung, Teilnahme, Hilfsbereitschaft, Zugänglichkeit, Kommunikationsfähigkeit). Dafür bitten Sie die Studierenden, die Gruppenmitglieder und sich selbst zu bewerten. Obwohl dieses Vorgehen auch Schwächen hat (Studierende könnten aus sozialem Druck heraus sich gegenseitig schützen; Individuen neigen dazu, nicht immer ehrlich in ihrer Selbsteinschätzung zu sein), können Sie dadurch (und in Kombination mit weiteren Ansätzen zur Förderung individueller Verantwortung) einen Eindruck von der Dynamik innerhalb der Gruppe und von der Beteiligung einzelner Gruppenmitglieder erhalten.

2. Die Kriterien der Notenvergabe unterstützen die Gruppenarbeit nicht

Es ist typisch für Hochschullehrer, an den Wert und die Bedeutung von Gruppenarbeit zu glauben, dies explizit vor Studierenden zu formulieren und gleichzeitig die Gruppenarbeit nicht als Dimension für die Note zu berücksichtigen.

Diese Inkongruenz kann zu einem Verhalten führen, das einer erfolgreichen Gruppenarbeit entgegensteht. Studierende orientieren sich in ihrem Verhalten tendenziell an dem, was belohnt wird. In Lehrveranstaltungen bleibt die Betonung der sozialen Kompetenzen ein Lippenbekenntnis, wenn die Abschlussnoten überwiegend oder gar vollständig auf dem Endprodukt der Gruppenarbeit basieren. In diesen Fällen versuchen Studierende alles, um den Kriterien der Notenvergabe gerecht zu werden - mit der Folge, dass die Gruppenarbeit auf der Strecke bleibt und passive Studierende („Trittbrettfahrer“) oder dominante Studierende („Überflieger“) häufiger auftreten.

Die Kriterien der Benotung spiegeln Ihre Ziele für die Lehrveranstaltung wider und verdeutlichen diese Ziele den Studierenden. Wenn Ihnen beides, das Ergebnis des Projektes (Endprodukt) und das Funktionieren der Gruppe (Entstehungsprozess) wichtig ist, müsste sich beides auch in den Noten widerspiegeln. Die Gewichtung sollte abhängig von den Lerninhalten und der Aufgabenstellung gewählt werden. Wenn beispielsweise dem Prozess die gleiche Gewichtung wie dem Endprodukt beigemessen wird, sendet dies ein klares Signal an die Studierenden, Teamfähigkeiten aufzubauen und zu verfeinern.

Gestalten Sie Kriterien, nach denen Studierende gegenseitig die Beiträge und das Verhalten der Gruppenmitglieder evaluieren können (Peer-Feedback). Dies dient mehreren Zwecken: Erstens erhalten Sie als Dozent Einblicke in die Dynamik der Gruppe. Zweitens sind sich somit die Gruppenmitglieder untereinander rechenschaftspflichtig. Drittens wird den Studierenden ihr Verhalten in der Gruppe bewusst gemacht und die eigene Verantwortung für die Gruppe verdeutlicht. Darüber hinaus können Sie die Studierenden um eine Selbsteinschätzung ihrer Beiträge und ihres Verhaltens in der Gruppe bitten. Die Bewertungsinstrumente (Selbsteinschätzung oder Bewertung der Gruppenmitglieder) sollen Fähigkeiten identifizieren, welche zu einem Gelingen von Gruppenarbeiten förderlich sind. Dazu gehören respektvolles Zuhören, Beachten gegensätzlicher Ansichten und Standpunkte von Minderheiten, effektiver Umgang mit Konflikten zu unterschiedlichen Ideen oder Herangehensweisen, die Gruppe während und zwischen den Treffen bei der Sache zu halten, die Einhaltung von Fristen oder die angemessene Aufteilung von Nachforschungs-, Analyse-, und Schreibtätigkeiten. Die Gruppenmitglieder sollten Stärken ebenso wie auch Verbesserungspotenziale benennen.

 

3. Studierende verstehen die Erwartungen des Dozenten nicht

Studierende bringen in die Lehrveranstaltung eine ganze Reihe von Erwartungen mit, die Ergebnis ihrer bisherigen Schulerfahrungen, ihres kulturellen Hintergrunds oder einer abgeschlossenen Ausbildung sein können. Diese Erfahrungen wirken sich auf die studentische Erwartung an die Rolle des Hochschullehrers und die Rolle der Studierenden, ihr Verhalten in Diskussionen, den Schreibstil usw. aus. „So ist es völlig normal und durchaus die Regel denn die Ausnahme, das andere Menschen die Dinge anders verstehen bzw. auslegen als Sie das selbst tun.“ (Wörner, 2008)

Wenn die studentische Erwartungshaltung nicht mit der des Lehrenden übereinstimmt, kann dies zu Verwirrung, Ärger und schlechten Ergebnissen führen. Es ist daher wichtig, dass Sie Ihre Erwartungen so explizit wie möglich darstellen, damit die Studierenden ihre Erwartungen abgleichen können.

Erklären Sie ausführlich - eventuell ausführlicher als Sie es für notwendig erachten – sämtliche Aspekte der Aufgabenstellung. Spezifizieren Sie beispielsweise für Gruppen, die eine Präsentation erstellen sollen, an welches Publikum sich die Präsentation richtet (Soll das Endprodukt auf Experten des Fachs oder auf Laien zugeschnitten sein? Kann also angenommen werden, dass bei den Zuhörern Grundlagenwissen vorhanden ist oder müssen die Studierenden darauf eingehen?). Stellen Sie außerdem das übergeordnete Ziel des Projekts klar: eine Reihe von Empfehlungen vorzuschlagen und zu bewerten, ein Forschungsprojekt zu entwerfen und umzusetzen oder eine spezielle Theorie auf eine Datenerhebung anzuwenden. Falls das Projekt Recherchetätigkeit erfordert, spezifizieren Sie mögliche Arten von Informationsquellen. Wenn die Studierenden nur Fachbücher und -artikel und keine Online-Quellen nutzen sollen, so stellen Sie dies von Anfang an klar. Haben Sie die Aufgabenstellung absichtlich vage formuliert, so erklären Sie den Studierenden, dass die fehlende Struktur beabsichtigt ist und erläutern Sie, welche Fähigkeiten durch die eigenständige Strukturierung entwickelt werden sollen.

Dass Sie die Aufgabenstellung klar und deutlich darstellen, bedeutet nicht, dass Sie dies über die gesamte Projektdauer hinweg leisten sollen. Aufgrund der stark abweichenden Ziele der einzelnen Hochschullehrer und der verschiedenen Konventionen der Fachbereiche müssen Studierende jedoch wissen, wie mit der von Ihnen gegebenen Aufgabenstellung umzugehen ist. Je besser das Verständnis der Aufgabe, desto höhere Arbeitsqualität können Sie erwarten. Stellen Sie also sicher, dass die Schwierigkeit der Gruppenarbeit in der Aufgabe an sich liegt und nicht im Verständnis der Aufgabenstellung.

Erklären Sie umfänglich, wie Sie sich die Arbeit der Studierenden vorstellen und wie nicht. Ist es beispielsweise akzeptabel, dass die Gruppe die Aufgabe untereinander aufteilt oder ist ein höherer Grad an Zusammenarbeit gefordert? Sind sämtliche Formen der Zusammenarbeit möglich oder gibt es auch Formen, die akademische Standards verletzen? Dürfen die Gruppenmitglieder ausschließlich online kommunizieren oder legen Sie Wert auf direkte, persönliche Kommunikation? Denken Sie über solche Fragen nach, bevor die Studierenden mit dem Projekt starten und erläutern Sie Ihre Erwartungen ausführlich.

Im Vorfeld erläuterte Benotungskriterien können nützlich sein, um die Schwerpunktsetzung der Studierenden in dem Projekt zu beeinflussen. Ein guter Kriterienkatalog definiert die wesentlichen Aspekte des Auftrags und unterscheidet eine exzellente Arbeit von guten, mittelmäßigen oder schlechten Leistungen. Sollten Kreativität und Risikobereitschaft wesentliche Elemente einer exzellenten Arbeit in Ihrer Lehrveranstaltung sein, so stellen Sie sicher, dass diese Kriterien für die Benotung beachtet werden. Es kann für Arbeitsgruppen wichtig sein, im Voraus zu wissen, dass wenn sie alles richtig machen, die Note 2 erhalten werden. Für die Note 1 muss dagegen etwas Originelles, Außergewöhnliches oder Gewagtes geleistet werden.

Sollte die Entwicklung von Teamfähigkeit ein ausdrückliches Ziel der Lehrveranstaltung sein, stellen Sie sicher, dass sowohl der Entstehungsprozess als auch das Endprodukt in die Benotung einfließen und beziehen Sie die gegenseitige Bewertung der Studierenden (Peer-Feedback) mit ein.

Die Bewertung der Gruppenarbeit birgt neben einer ganzen Reihe von Vorteilen natürlich auch Gefahren. So könnte die Bewertung durch Kommilitonen als willkürlicher Akt verstanden werden und Spannungen unter Studierenden verschärfen. Darüber hinaus ist der Konkurrenzdruck innerhalb fester Seminargruppen an Fachhochschulen häufig bereits hoch, sodass eine Abwertung der Kommilitonen verlockend sein könnte. Eine Möglichkeit, mit diesen potenziellen Problemen umzugehen wäre, die Ergebnisse der Peer-Bewertung als Zusatzpunkte in die Modulabschlussprüfung einfließen zu lassen. Wissenslücken oder die Folgen eines Blackouts in der Prüfung könnten so durch soziale Kompetenzen teilweise kompensiert werden - ein durchaus realistisches Szenario aus dem beruflichen Alltag.

Zeigen Sie Ihren Studierenden Beispiele exzellenter Arbeit aus den vorangegangenen Semestern. Zu sehen, wie andere erfolgreich die Aufgabenstellung aufgegriffen haben, veranschaulicht Ihre Erwartungen an die Lösung, kann Studierende beflügeln und helfen, effizienter zu arbeiten. Bedenken Sie, dass es nicht nur wichtig ist, Beispiele zu präsentieren, sondern auch, diese zu erläutern und Studierenden zu erklären, welche Merkmale dieser Arbeiten zu dem Prädikat „exzellent“ geführt haben. Studierende könnten die Aufmerksamkeit sonst auf falsche Merkmale der Beispiele legen (z.B. das schicke Layout der Präsentation anstelle des Inhaltes).

Versuchen Sie, eine ganze Reihe von Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Studierende eine Aufgabenstellung gelöst haben. Das soll Studierende ermutigen, über den Tellerrand zu blicken und verschiedene Möglichkeiten der Aufgabenlösung in Betracht zu ziehen. Falls Sie befürchten, die Beispiele früherer studentischer Arbeiten könnten Ihre Studierenden zu stark auf die dargebotenen Lösungen lenken und damit ihre Kreativität einschränken, nutzen Sie lieber studentische Arbeiten eines ähnlichen, aber nicht identischen Themas.

Fordern Sie Fortschrittsberichte und setzen Sie Zwischenfristen, um die Arbeit der Studierenden kontrollieren und frühzeitig Rückmeldung geben zu können. Das ermöglicht Ihnen, unpassende Erwartungen zu thematisieren und Studierende wieder auf den richtigen Weg zu führen.

4. Den Studierenden mangelt es an Fähigkeiten zur Gruppenarbeit

Die Arbeit in Gruppen verlangt von den Studierenden nicht nur Wissen und Fähigkeiten, die für individuelles Arbeiten erforderlich sind. Darüber hinaus werden vielfältige prozessbezogene Kompetenzen benötigt: die Fähigkeit, mit anderen gemeinsam eine Aufgabe zu erfassen, diese in Teilaspekte zu zerteilen, eine Strategie zu erstellen, Verantwortungen zu delegieren, ein gemeinsames Zeitmanagement zu etablieren, Fristen zu setzen und einzuhalten, effektiv zu kommunizieren und Konflikte zu lösen. Wenn es Studierenden an den Fähigkeiten zur Gruppenarbeit mangelt, führt dies zu Unzufriedenheit, schlechten Ergebnissen oder zum Abbruch von Gruppenprojekten.

Inwieweit Studierende Teamfähigkeit besitzen, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab (inklusive dem kulturellen Hintergrund). Außerdem wirken sich die individuellen Erfahrungen der Studierenden mit vergangenen Gruppenarbeiten inner- und außerhalb von Bildungseinrichtungen aus.

Hochschullehrer sind in erster Linie Spezialisten in einem Fachgebiet und besitzen damit die Grundlagen zur Förderung fachlicher Kompetenzen bei den Studierenden. Diese benötigen in der gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitswelt einer wissensbasierten Wirtschaft jedoch auch Kompetenzen, die über Fachlichkeit hinausgehen. Nicht erst seit der Bologna-Reform stehen Hochschullehrer vor der Herausforderung, diese Schlüsselqualifikationen in ihre Lehre zu integrieren. Dabei müssen Sie kein Sozialpädagoge sein, um Sozial- und Selbstkompetenz fördern zu können. Sie müssen auch keine historische oder disziplinspezifische Diskussion zum Kompetenzbegriff führen können. Einen guten Einstieg und Überblick bietet Ihnen bereits der KOMPETENZKATALOG.

In den meisten Lehrveranstaltungen liegt der Fokus auf der Beherrschung fachspezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten und auf dem Endprodukt der Gruppenarbeit (z.B. Aufsätze, Modelle, Präsentationen), das Studierende abliefern, um diese Beherrschung zu demonstrieren. Der Fokus liegt selten auf dem Prozess, durch den dieses Ergebnis entsteht. Aufgrund dieser Erfahrungen konzentrieren sich Studierende mehr auf das Endprodukt statt auf den Prozess. Davon ausgehend, ist es beim Stellen von Gruppenaufgaben entscheidend, die Bedeutung der überfachlichen Kompetenzen (z.B. Kooperations-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit) zu betonen. Erläutern Sie den praktischen Nutzen am späteren Arbeitsplatz, um Studierende zu motivieren, über diese sozialen Kompetenzen nachzudenken und an diesen zu arbeiten. Anekdoten aus der Berufswelt über das, was schief laufen kann, wenn die zur Zusammenarbeit benötigten Fähigkeiten nur schwach vorhanden sind, können Ihre Botschaft verdeutlichen. Beginnen Sie das Gruppenprojekt, indem Sie die Studierenden bitten, eine Liste von Fähigkeiten zu erstellen, von denen sie glauben, dass ein späterer Arbeitgeber darauf besonderen Wert legt. Die in dieser Übung höchstwahrscheinlich genannten Antworten „Problemlösungskompetenz“, „kommunikative Fähigkeiten“ und „die Fähigkeit, mit anderen zusammen zu arbeiten“ können ein guter Ausgangspunkt sein, um die Prozessziele der Lehrveranstaltung zu diskutieren.

Gehen Sie nicht davon aus, Studierende wüssten, wie erfolgreich in Gruppen gearbeitet wird. Höchstwahrscheinlich benötigen sie dabei Unterstützung. Im Folgenden werden einige Punkte genannt, die Studierenden einen Einstieg in die Gruppenarbeit erleichtern sollen. Sollten Ihre Studierenden bereits Erfahrungen mit Gruppenarbeit an der Hochschule gesammelt haben, brauchen Sie diese nur noch einmal an die Punkte erinnern. Falls Ihre Studierenden wenig Erfahrung mit Gruppenarbeit haben, sollten Sie mehr Struktur (z.B. für die Zerlegung der Aufgabenstellung, die Planung von Arbeitsschritten und das Setzen von Fristen) und häufigere Feedbacks anbieten.

a) Abgrenzen der Aufgabe: Studierende müssen in der Lage sein, die Aufgabe eindeutig zu identifizieren und die zu lösenden Probleme oder zu beantwortenden Fragen zu artikulieren. Dies ist umso wichtiger, je unstrukturierter eine Aufgabe gestellt wurde oder je größer die Auswahl der möglichen Themen ist.

b) Festschreibung der Arbeitsschritte: Studierende müssen in der Lage sein, Teile des Projektes und deren logische Reihenfolge zu erkennen. Beispielsweise könnte ein Projekt die Suche nach belastbaren Quellen in der Bibliothek und eine anschließende Diskussion der gesammelten Quellen erfordern, bevor in einem nächsten Schritt die Quellen aufgeteilt und einzeln bewertet werden usw.

c) Verteilen der Rollen: Studierende müssen Verantwortlichkeiten festlegen können. So können einzelne Gruppenmitglieder für die Schaffung und Aufrechterhaltung der Kommunikationsmöglichkeiten, die Organisation der Treffen, das Protokollieren von Ideen und Entscheidungen in den Treffen, die Steuerung der Gruppendiskussion und das Antreiben der Gruppe, wenn sich Fristen nähern, verantwortlich sein.

d) Steuerung der Kommunikation: Studierende müssen Kontaktinformationen austauschen und sich einigen, auf welchem Weg (E-Mail, Online-Foren, persönlicher Kontakt) kommuniziert werden soll und wie häufig.

e)Setzen der Fristen: Studierende müssen grob festlegen, wie viel Zeit für die einzelnen Projektschritte benötigt wird und Fristen zum Abschluss der Zwischenschritte setzen.

Mangelt es den Studierenden an den Fähigkeiten zur erfolgreichen Zusammenarbeit, sollten Sie ernsthaft in Betracht ziehen, Zeiträume Ihrer Lehrveranstaltung zur Einführung, Unterstützung und Übung überfachlicher Kompetenzen zur Verfügung zu stellen.

Stellen Sie grundlegende Regeln auf oder lassen Sie die Studierenden eigene Verhaltensregeln für die Gruppenarbeit festlegen. Sie könnten den Studierenden beispielsweise folgende Frage stellen: Welches Verhalten von Gruppenmitgliedern sehen Sie als hilfreich / nicht hilfreich für ein effektives Funktionieren der Gruppe an? Danach lassen Sie die Studierenden eine Liste von grundlegenden Verhaltensregeln, basierend auf ihren Antworten, erstellen (z.B. auf E-Mails von Gruppenmitgliedern innerhalb von 24 Stunden reagieren; pünktlich und vorbereitet zu Treffen erscheinen; Fristen einhalten; einander zuhören; auf Äußerungen freundlich und ehrlich reagieren; sich konstruktiv verhalten; Inhalte und nicht Personen kritisieren). Bitten Sie anschließend die Studierenden um Akzeptanz der Grundregeln. Unter Umständen kann auch das Aufsetzen eines Lerngruppenvertrages hilfreich sein, den die Gruppenmitglieder vor Projektstart unterschreiben müssen.

Lassen Sie Ihre Studierenden wissen, dass Meinungsverschiedenheiten unter Gruppenmitgliedern nicht nur zu erwarten sind, sondern auch wertvolle Möglichkeiten darstellen, bessere Lösungen zu finden und wichtige Fähigkeiten, wie Zuhören, Mediation und Kompromissbereitschaft zu entwickeln. Wird mit Meinungsverschiedenheiten erfolgreich umgegangen, führt das zur Entwicklung der Teamfähigkeit und besseren Ergebnissen in dem Projekt.

Um Studierende bereits zu Beginn des Projektes bei der Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien zu unterstützen, können Studierende auch in Rollenspielen üben, wie sie auf Probleme in der Gruppe reagieren können (beispielsweise im Umgang mit dominanten Persönlichkeiten, wenig engagierten Teilnehmern oder kulturellen Unterschieden in der Gruppe). Rollenspiele verdeutlichen Ihren Studierenden realistische Situationen und fordern sie auf, nach Lösungen zu suchen, sowie Dialoge und Handlungen zu improvisieren. Diese Strategie kann Studierenden helfen, Probleme zu erkennen, diese anzugehen, sich Gehör zu verschaffen usw.

Statten Sie Ihre Studierenden mit „Achtung-Listen“ aus, in denen typische Stolpersteine der Gruppenarbeit im Allgemeinen oder im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung thematisiert werden. Beispielsweise unterschätzen Studierende regelmäßig die für Planung und Koordinierung erforderliche Zeit. Oder sie lassen wichtige logistische Fragen bis zum letzten Moment ungeklärt und stoßen dann auf Probleme. Wenn möglich, geben Sie den Studierenden Anhaltspunkte für die Dauer einzelner Teilschritte eines Projektes, damit sie ihre Zeit gut einteilen. Ermahnen Sie Ihre Studierenden außerdem, organisatorische Fragen lieber zu früh als zu spät zu klären (z.B. Reservierung eines Computerpools, Zugang zu einem Studio oder einem Labor zu bekommen, Planung der Gruppentreffen oder Auslösen von Fernleihen).

Ermutigen Sie Ihre Studierenden, ihre eigenen Stärken und Schwächen einzuschätzen (z.B. die Neigung zum Aufschieben; Offenheit gegenüber Kritik; sprachliche Gewandtheit) und zu überlegen, wie diese Aspekte die Gruppendynamik möglicherweise beeinflussen. Dafür können Sie die Studierenden Fragebögen oder Persönlichkeitstests ausfüllen und die Ergebnisse vergleichen lassen. Eine Gruppendiskussion kann sich nun um die Frage drehen, wie Stärken innerhalb der Gruppe zur Geltung kommen und Schwächen kompensiert werden können. Mögliche Antworten könnten sein: klare, unumstößliche Fristen zu setzen (wenn viele Teilnehmer zum Aufschieben neigen), ein System des Sprecherwechsels zu etablieren (wenn zurückhaltende Gruppenmitglieder dabei sind), Ablaufdiagramme zu nutzen (bei Teilnehmern mit schwachen Sprachkenntnissen), usw.

Über die Dauer des Projektes sollten Sie die Arbeitsweisen der einzelnen Gruppen genau beobachten. Eine Möglichkeit dafür ist, regelmäßige Fortschrittsberichte zu fordern. Diese können auch während der Lehrveranstaltung vorgetragen werden, um einen Austausch unter verschiedenen Gruppen zu ermöglichen. Sollte die Gruppendiskussion online stattfinden (z.B. über OPAL), sollten Sie - natürlich mit dem Wissen der Gruppe - diesen Austausch gelegentlich überprüfen. Treffen sich die Studierenden während der Lehrveranstaltung, gibt das Ihnen die Möglichkeit, umherzugehen und den Gruppen zuzuhören. Obwohl es wichtig ist, den studentischen Gruppen Freiräume zu geben (beispielsweise zwischenmenschliche Konflikte selbst zu lösen oder selbst zu merken, wenn sie vom Thema abgekommen sind), ist es ebenso wichtig, zu wissen, was in den Gruppen passiert, um notfalls intervenieren oder Hinweise geben zu können.

5. Die Studierenden unterscheiden sich in Bezug auf ihre Kompetenzen stark voneinander

Wahrscheinlich zeichnen sich die Studierenden in Ihren Lehrveranstaltungen durch Unterschiede in Vorwissen, Fähigkeiten und Motivation aus. Diese Unterschiede können Ausgangspunkt für Lernprozesse sein, wenn Gruppenmitglieder ihre vielfältigen Ansichten und Fähigkeiten in das Projekt einbringen und einander weitergeben. Es wird jedoch meist eine Anleitung nötig sein, um die negativen Auswirkungen dieser Vielfalt zu minimieren. Eine dieser problematischen Auswirkungen könnte sein, dass Gruppenmitglieder ihr eigenes Licht unter den Scheffel stellen, um eine gemeinsame Arbeitsgrundlage mit weniger erfahrenen Teilnehmern herzustellen. Dadurch wird es kaum gelingen, die Gruppe zu mehr als der Summe ihrer einzelnen Teile zu machen.

Sollte es Fähigkeiten geben (z.B. Vertrautheit mit einer speziellen Software; Erfahrung mit Forschungsmethoden; Beherrschung der Fachsprache), die Ihre Studierenden mitbringen müssen, um die Lehrveranstaltung erfolgreich zu bestehen, heben Sie diese in der Beschreibung und noch einmal zu Beginn der Veranstaltung hervor. Studierende, denen diese vorausgesetzten Fähigkeiten fehlen, wissen nun, dass sie diese Grundlagen selbstständig nachholen müssen.

Versuchen Sie, innerhalb der ersten Wochen das Vorwissen der Studierenden abzuschätzen oder zu erfassen (z.B. durch Nachfragen, offene oder geschlossene Fragen, durch schriftliche Befragungen oder Leistungstest). Sollte es einer kleinen Gruppe von Studierenden an Hintergrundwissen mangeln, könnten Sie diesen Studierenden empfehlen, die Wissenslücken selbstständig durch Wiederholung des Stoffes zu schließen (z.B. stellen Sie Sonderaufgaben oder die Zusammenfassung früherer und anderer Veranstaltungen zur Nacharbeitung des Stoffes bereit). Mangelt es einer größeren Gruppe von Studierenden an Vorwissen, sollten Sie eine zusätzliche Unterrichtszeit oder ein zusätzliches Tutorium zum Nachholen des Grundlagenwissens anbieten. Sollte die Mehrheit der Studierenden über für Ihre Lehrveranstaltung essentielles Wissen nicht verfügen, sollten Sie die Grundlagen selbst wiederholen. Das würde zwar bedeuten, dass Sie Ihre Erwartungen an die Ergebnisse Ihrer Lehrveranstaltung insgesamt zurückfahren müssten, ist jedoch einem unbeirrten Fortsetzen dringend vorzuziehen.

Eine mögliche Strategie, ungleich verteilten Fähigkeiten der Studierenden zu begegnen, wäre es, die studentischen Gruppen so einzuteilen, dass Vorwissen und Fähigkeiten möglichst gleichmäßig verteilt sind. Wenn Sie beispielsweise wissen, dass ein Teil Ihrer Studierenden eine spezielle Schwäche (oder spezielle Stärke) auf einem Gebiet hat, sollten Sie diese Studierenden auf verschiedene Gruppen verteilen, um zu vermeiden, dass eine Gruppe übermäßig leidet (oder profitiert). Dies ermöglicht auch, dass starke Mitglieder die Schwächeren der Gruppe auf Trab bringen.

Die ungleiche Verteilung von Fähigkeiten kann ein Vorteil sein, wenn Gruppenmitglieder die unterschiedlichen Erfahrungen und Erkenntnisse zur Lösung einer Aufgabenstellung einbringen. Verdeutlichen Sie den Studierenden, mit welchen Fähigkeiten sie zum Erfolg der Gruppe beitragen können - vielleicht auch durch eine Auflistung der in der Gruppe vorhandenen Potenziale.

Nachdem die Potenziale der Gruppe herausgestellt wurden, passen Sie die Aufgabenstellung zur vorteilhaften Nutzung der Potenziale an. Sollten beispielsweise auch beruflich qualifizierte Studierende an Ihrer Lehrveranstaltung teilnehmen, können Sie deren Arbeitserfahrung insofern nutzen, dass Sie Ihre Aufgabenstellung mit einem Praxisbezug versehen. In Abhängigkeit von den Zielen Ihrer Lehrveranstaltung kann es ausreichen, dass jedes Gruppenmitglied seine eigenen Erfahrungen einbringt. Sollte es Ihr Ziel sein, zusätzlich zu den bisherigen Erfahrungen neue Kompetenzen zu erwerben, müssen die Aufgaben so gestaltet sein, dass Studierende ihre Beiträge nicht auf ihren Erfahrungshintergrund beschränken können. Um dies zu erleichtern, sollten Sie die Studierenden anregen, im Laufe des Semesters die Rollen zu tauschen, so dass beispielsweise Studierende ohne Berufserfahrungen wissenschaftliche Erkenntnisse in den Alltag transferieren sollen.

Möglicherweise fordern Sie von den Studierenden das Führen eines Lerntagebuchs, sodass Sie das Ausmaß abschätzen können, in welchem Studierende verschiedene Fähigkeiten entwickeln.

6. Studierende haben vorgefasste oder falsche Vorstellungen von Gruppenarbeit

Bei vielen Studierenden haben bisherige Erfahrungen den Eindruck hinterlassen, dass Gruppenarbeit eine Schonzeit darstellt und nur wenig Anstrengung von ihnen erfordert. Ein oder zwei Mitglieder der Gruppe werden die Aufgaben immer allein lösen. Vielleicht haben sie aber auch gelernt, dass Gruppenarbeit zu Konflikten oder Spaltung innerhalb der Gruppe führen kann und verbinden daher bei Gruppenarbeit schon mit dem Begriff Negatives. Diese Erfahrungen mit Gruppenarbeit wirken sich darauf aus, wie Studierende eine Gruppenarbeit annehmen.

Um festzustellen, ob Studierende negative Erwartungen an Gruppenarbeit haben, führen Sie eine kurze Umfrage oder Erhebung zu den bisherigen Erfahrungen der Studierenden mit Gruppenarbeit durch. Fragen Sie, was als effektiv und was als uneffektiv empfunden und was aus den Erfahrungen gelernt wurde. Sollte Ihre Umfrage negative Erwartungen an Gruppenarbeit offenbaren, sprechen Sie diese Einstellungen direkt an. Erklären Sie, warum Sie Gruppenarbeiten vergeben und welche Fähigkeiten sich aus der Arbeit in Teams ergeben können. Weisen Sie darauf hin, dass mit Gruppenarbeit auch Risiken verbunden sein können und versichern Sie den Studierenden, dass Sie mit Ihrer Aufgabenstellung potenzielle Probleme minimieren und die Potenziale der Arbeit in Gruppen nutzen. Empfehlen Sie Strategien zum Umgang mit gängigen Problemen, beispielsweise zur Lösung von Konflikten in den Gruppen oder zum Umgang mit der Schwierigkeit, gemeinsame Termine zu finden.

Eine Möglichkeit, studentischen Vorbehalten gegenüber Gruppenarbeit zu begegnen, wäre, die Studierenden zu bitten, (in Gruppen) den Fragen nachzugehen, a) welche positive und negative Aspekte mit Gruppenarbeit verbunden werden und b) welche Strategien zum Umgang mit Problemen und zur Steigerung der positiven Aspekte gefunden werden können.

Der Begriff „Gruppenarbeit“ kann in den MINT-Studiengängen als sozialpädagogische Spielerei und in den Sozialwissenschaften als redundante Selbstbeschäftigung verstanden werden. Allein das Erwähnen von Gruppenarbeit löst bei Studierenden mit diesen Erwartungen Abwehr aus. Sie sollten daher versuchen, den Begriff zu ersetzen („Teamarbeit“, „Kooperatives Lernen“, „Lernen in Gruppen“) oder lediglich Inhalt und Form der Aufgabenstellung zu beschreiben („Wir beschäftigen uns heute mit dem Thema XY. Hierzu bitte ich Sie, in Gruppen á 5 Studierenden folgende Aufgaben zu bearbeiten und anschließend zu präsentieren“).

Wenn in Ihrer Lehrveranstaltung ein hoher Grad an Zusammenarbeit erreicht werden soll, strukturieren Sie die Aufgabenstellung so, dass die einzelnen Gruppenmitglieder voneinander abhängig sind. Ein Weg das zu erreichen ist, die Aufgaben so komplex zu gestalten, dass Studierende nicht effektiv allein arbeiten können, sondern von Fähigkeiten, Wissen und Perspektiven der anderen Gruppenmitglieder abhängig sind. Weitere Wege um gegenseitige Abhängigkeiten in die Aufgabenstellung zu integrieren sind:

a) gemeinsame Ziele, die nur durch die Zusammenarbeit mit dem kompletten Team erreicht werden können

b) gemeinschaftliche Anerkennung (gemeinsame Note), die von der Leistung eines jeden in der Gruppe abhängt

c) begrenzte Ressourcen, die von den Studierenden das Teilen von Material und Informationen erfordert

d) sich ergänzende Rollen (jedes Gruppenmitglied nimmt eine Rolle an, die unverzichtbar für den Erfolg des Projektes ist und einen besonderen Anteil beiträgt)

Um einzelne Studierende zu motivieren und aus ihrer Passivität zu holen, ist es wichtig, eine Komponente der individuellen Verantwortlichkeit in die Aufgabenstellung einzubauen. Mit anderen Worten: zusätzlich zur Bewertung der Gruppenleistung fordern Sie von den Studierenden individuelle Lernnachweise (z.B. Tests, Belegarbeiten, Lerntagebuch). Studierende neigen in Gruppen deutlich weniger zur Nachlässigkeit, wenn Sie wissen, dass auch ihre persönliche Leistung in die Notengabe einfließt.

Außerdem können Sie den Studierenden Rückmeldungen ermöglichen, inwiefern sie sich in die Gruppe eingebracht haben (z.B. Anstrengung, Teilnahme, Hilfsbereitschaft, Zugänglichkeit, Kommunikationsfähigkeit). Dafür bitten Sie die Studierenden, die Gruppenmitglieder und sich selbst zu bewerten. Obwohl dieses Vorgehen auch Schwächen hat (Studierende könnten aus sozialem Druck heraus sich gegenseitig schützen; Individuen neigen dazu, nicht immer ehrlich in ihrer Selbsteinschätzung zu sein), können Sie dadurch (und in Kombination mit weiteren Ansätzen zur Förderung individueller Verantwortung) einen Eindruck von der Dynamik innerhalb der Gruppe und von der Beteiligung einzelner Gruppenmitglieder erhalten.

7. Die Gruppenzusammensetzung ist problematisch

In der Planung von Gruppenarbeit stellen sich Hochschullehrer immer wieder die gleichen Fragen. Sollten Sie selbst die Gruppen zusammenstellen oder lassen Sie die Studierenden wählen? Sollten Sie Vielfalt innerhalb der Gruppen sicherstellen? Wenn Sie die Gruppen mit dem Ziel der Heterogenität zusammenstellen, wie fühlen sich dann Studierende, die nun alleinig ein Merkmal in der Gruppe vertreten (z.B. bei Selektion nach Geschlecht, Muttersprache, Studiengang)? Wie bekommen Sie die verschiedenen Fähigkeiten und Erfahrungen der Studierenden unter einen Hut? Auf diese Fragen gibt es keine einfachen Antworten. Jede Art der Gruppenzusammensetzung birgt Vor- und Nachteile. Die beste Vorgehensweise ist, Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwiegen und in Abhängigkeit von Ihren Studierenden und dem Ziel der Gruppenarbeit die Zusammensetzung der Gruppen zu wählen.

Versuchen Sie, Gruppen mit fünf Studierenden zusammenzustellen. Diese Gruppengröße stellt einen guten Kompromiss aus Vielfalt an Erfahrungen und Wissen einerseits und Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitglieds andererseits dar. Die Zahl fünf dient hierbei als Orientierung. Manche Aufgabenstellungen erfordern größere Gruppen. In einigen Seminargruppen sind nicht genügend Studierende zur Bildung von Fünfergruppen vorhanden.

Unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen der Lehrveranstaltung (z.B. Teilnehmerzahl, Zusammenstellung der Studierenden) wird die Gruppenzusammenstellung vorrangig durch die Lernziele bestimmt. Sollte beispielsweise Ihr Projekt eine fachübergreifende Lösung erfordern oder Sie möchten eine Situation aus dem Arbeitsalltag nachstellen, empfiehlt es sich, die Gruppen interdisziplinär zusammenzustellen. Möchten Sie hingegen unterschiedliche Problemlösungsstrategien einzelner Fachbereiche aufzeigen, sollten Sie die Studierenden in fachlich homogene Gruppen einteilen.

Die Entscheidung, wie Gruppen zusammengestellt werden, kann auch ganz pragmatisch getroffen werden. Manchmal ist eine zufällige Verteilung der Studierenden eine einfache und vertretbare Lösung. Neben den Durchzählen lassen (die Einser bilden eine Gruppe, die Zweier, usw.) gibt es eine ganze Reihe weitere interessanter Verfahren der Einteilung. „So können Sie z.B. verschiedene Papierschnipsel verteilen (Anzahl der Farben = Anzahl der Gruppen), verschiedene Bonbons verteilen (Anzahl der Bonbons = Anzahl der Gruppen) oder auch verschiedene Postkarten zerschneiden und dann als Puzzle zusammenfügen lassen (Anzahl der Postkarten = Anzahl der Gruppe; Anzahl der Stücke je Postkarte = Gruppengröße)“ (Wörner, 2008).

Erfordert das Projekt eine Vielzahl von Besprechungen außerhalb der Lehrveranstaltung, sollten Sie die Gruppen auf Grundlage der Stundenpläne zusammenstellen. Haben Sie ausländische Studierende in Ihrer Lehrveranstaltung kann es unter Umständen sinnvoll sein, diese in einer Gruppe zusammenzufassen, damit sich die ausländischen Studierenden auf den Inhalt konzentrieren können und nicht durch Sprachbarrieren eingeschränkt werden. Ihr pragmatisches Vorgehen steht natürlich immer in Verbindung mit Ihren Lernzielen. So erweist sich das Vorgehen in dem letzten Beispiel als nicht sinnvoll, wenn eines der Lernziele das Beherrschen der Fachsprache oder das Halten einer Präsentation in deutscher Sprache ist.

Überdenken Sie noch einmal die Vor- und Nachteile verschiedener Gruppenzusammenstellungen, bevor Sie die Gruppen einteilen. Vielleicht haben Sie nur einige wenige „spezielle“ Studierende in Ihrer Lehrveranstaltung (z.B. Studierende mit einem umfangreichen Hintergrundwissen, Studierende eines Geschlechts oder einer kulturellen Herkunft), die Sie gern auf die Gruppen verteilen möchten, um Vielfalt herzustellen. Neben den Vorteilen dieser Entscheidung (vielfältige Ansichten und Erfahrungshintergründe in den Gruppen), können auch gravierende Nachteile auftreten: Minderheiten könnten sich isoliert fühlen und sich über die Erwartung ärgern, eine „Randgruppe“ vertreten zu müssen. Homogene Gruppen haben ebenso Vor- und Nachteile. Gruppen, die ähnliche Fähigkeiten und Erfahrungen innehaben, arbeiten schneller (es herrscht z.B. ein einheitliches Begriffsverständnis). Durch den Mangel an Vielfalt könnten die Ansichten und Vorgehensweisen aber stark reduziert sein.

Diskutieren Sie mit den Studierenden die Vor- und Nachteile einer bestimmten Gruppenzusammensetzung und begründen Sie die von Ihnen getroffene Wahl. Sollten Sie die Gruppen so zusammengestellt haben, dass verschiedene Erfahrungen und Ansichten aufgegriffen werden, können sich Ihre Studierende auf den Punkt nun besonders konzentrieren. Wenn diesen Studierenden bewusst ist, dass homogene Gruppen Einschränkungen mit sich bringen, können die Studierenden Strategien entwickeln, diese Einschränkungen zu kompensieren (z.B. durch die Nutzung weiterer Quellen außerhalb der Gruppe). Ebenso kann das Bewusstsein für die Nachteile heterogener Gruppen bei Studierenden eine aktive Auseinandersetzung mit diesen Problemen auslösen (z.B. regelmäßig die Rollen in der Gruppe zu wechseln oder festgelegte Redezeiten für die Mitglieder einräumen, damit jede Perspektive wahrgenommen werden kann).

8. Einzelne Gruppenmitglieder sind problematisch

Ein häufig genannter Vorbehalt von Studierenden gegenüber Gruppenarbeit ist die Befürchtung, dass das Verhalten eines Einzelnen sich negativ auf die gesamte Gruppe auswirkt. Die Beschwerden beinhalten meist schwaches Engagement („Trittbrettfahrer“), den Führungsanspruch dominanter Persönlichkeiten in der Gruppe („Überflieger“), gewohnheitsmäßige Unpünktlichkeit eines Kommilitonen, das Ignorieren von E-Mails oder die Nichteinhaltung von Fristen. Diese Probleme können das Lernen jedes einzelnen Teilnehmers gefährden. Jedoch wissen Studierende oft nicht, wie sie mit Spannungen innerhalb der Gruppe umgehen sollen.

Um einzelne Studierende zur aktiven Mitarbeit zu motivieren, ist es wichtig, eine Komponente der individuellen Verantwortlichkeit in Ihre Aufgabenstellung einzubauen. Mit anderen Worten: zusätzlich zur Bewertung der Leistung der Gruppe als Ganzes, verlangen Sie von jedem einzelnen Studierenden einen Lernnachweis (z.B. Tests, Belegarbeiten, Lerntagebuch). Studierende neigen in Gruppen deutlich weniger zur Passivität, wenn Sie wissen, dass ihre persönliche Leistung in die Note mit einfließt.

Stellen Sie grundlegende Regeln auf oder lassen Sie die Studierenden eigene Verhaltensregeln für die Gruppenarbeit festlegen. Sie könnten den Studierenden beispielsweise folgende Frage stellen: Welches Verhalten von Gruppenmitgliedern sehen Sie als hilfreich / nicht hilfreich für ein effektives Funktionieren der Gruppe an? Danach lassen Sie die Studierenden eine Liste von grundlegenden Verhaltensregeln, basierend auf ihren Antworten, erstellen (z.B. auf E-Mails von Gruppenmitgliedern innerhalb von 24 Stunden reagieren; pünktlich und vorbereitet zu Treffen erscheinen; Fristen einhalten; einander zuhören; auf Äußerungen freundlich und ehrlich reagieren; sich konstruktiv verhalten; Inhalte und nicht Personen kritisieren). Bitten Sie anschließend die Studierenden um Akzeptanz der Grundregeln. Unter Umständen kann auch das Aufsetzen eines Lerngruppenvertrages hilfreich sein, den die Gruppenmitglieder vor Projektstart unterschreiben müssen.

Das Aufstellen von Grundregeln kann unerwünschtem Verhalten vorbeugen und der Gruppe zudem eine Grundlage zur gegenseitigen Evaluierung bieten.

Um Studierende bereits zu Beginn des Projektes bei der Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien zu unterstützen, können die Studierenden beispielsweise in Rollenspielen üben, wie sie auf Probleme in der Gruppe reagieren können (z.B. im Umgang mit dominanten Persönlichkeiten, wenig engagierten Teilnehmern oder kulturellen Unterschieden in der Gruppe). Rollenspiele verdeutlichen Ihren

Studierenden realistische Situationen und fordern sie auf, nach Lösungen zu suchen, sowie Dialoge und Handlungen zu improvisieren. Diese Strategie kann Studierenden helfen, Probleme zu erkennen, diese anzugehen, sich Gehör zu verschaffen usw.

Bitten Sie die Teilnehmer, die eigenen Beiträge oder die Beiträge anderer Studierender in der Gruppenarbeit zu bewerten. Nutzen Sie dafür im Vorfeld aufgestellte Kriterien, welche Bereiche wie regelmäßige Teilnahme an den Treffen, aktive Beteiligung, Einhalten von Fristen oder respektvolles Zuhören beinhalten. Diese Strategie verdeutlicht den Teilnehmern die eigene Verantwortung für ihr Verhalten in der Gruppe und soll Problemen vorbeugen.

Verlangen Sie von den Gruppen, regelmäßig die Gruppendynamik unter Beachtung von Verbesserungsmöglichkeiten und Beeinflussung von Problemen zu reflektieren und Lernfortschritte zu dokumentieren.

Richten Sie Kommunikationskanäle ein, über die Studierende Rat suchen können. Vielleicht sind bereits Ihre Sprechstunden dafür ausreichend. Manchmal benötigen Studierende lediglich eine Ermutigung, um sich Problemen innerhalb der Gruppe zu stellen. Ein anderes Mal benötigen Studierende Hinweise, welche Formulierungen beim Gegenüber auf Verständnis stoßen können. Auf alle Fälle sollten Sie von diesen Problemen wissen, damit Sie Unterstützung anbieten und somit das Lernen der Studierenden fördern können.

Wie gehen Sie vor, wenn trotz großer Anstrengungen der Gruppenmitglieder ein Einzelner weiterhin Probleme innerhalb der Gruppe verursacht? Zu welchem Zeitpunkt werden Sie intervenieren? Können Sie einen Kollegen oder Mitarbeiter um Mediation bitten? Erlauben Sie den Gruppen, einzelne problematische Mitglieder auszuschließen? Falls ja, mit welchen Begründungen kann dies erfolgen und welche Möglichkeiten haben dann die „gefeuerten“ Studierenden? Es ist wichtig, diese worst-case-Szenarien zu antizipieren und damit für den Fall des Eintritts vorbereitet zu sein.

9. Der Stundenplan der Studierenden verhindert regelmäßige Gruppentreffen

Einer der größten Vorbehalte von Studierenden gegenüber Gruppenarbeit ist der zusätzliche Zeitaufwand, um sich zusätzlich zur Lehrveranstaltung zu treffen. Der dichte Stundenplan, Nebenjobs oder außerhochschulische und familiäre Verpflichtungen verschärfen das Problem, gemeinsame Treffen zu planen. Obwohl einige Hochschullehrer annehmen, dass das Zeitproblem von den Studierenden selbst gelöst werden muss, ist es hilfreich, den Studierenden etwas entgegenzukommen - besonders wenn Sie davon ausgehen, dass Sie mit der Gruppenarbeit Lernziele erreichen, die im individuellen Studieren nicht erreicht werden können.

Falls die Förderung überfachlicher Kompetenzen für Sie ein wichtiges Ziel darstellt, sollten Sie den Gruppen erlauben, die reguläre Lehrveranstaltung (oder Teile davon) für Gruppenarbeit zu nutzen. Wenn Sie den Studierenden diese Möglichkeit einräumen, erhalten Sie damit auch die Chance, Interaktionen zu beobachten, Fragen aufzuwerfen, Feedbacks zu geben und die Gruppenarbeit einzuschätzen.

Es gibt eine ganze Reihe von Technologien (z.B. OPAL, Skype, WhatsApp), die Kommunikation innerhalb von Gruppen erleichtert und somit die Zusammenarbeit befördern kann. Auch wenn Studierende mit dieser Technologie meist besser vertraut sind als die Lehrenden, benötigen sie gelegentlich eine Ermutigung, diese Technologien nutzen. Stellen Sie aber auch klar, dass diese nützlichen Kommunikationsmittel die persönliche Kommunikation und damit die Gruppentreffen nicht ersetzen können.

Quellen
Eberly Center for Teaching Excellence, Carnegie Mellon University
Wörner, A.: Lehren an der Hochschule. VS Verlag 2008.

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