Sektion 1: Die lusophone Welt in Sachsen im Spiegel der Vergangenheit und Gegenwart: Austausch, Kuriositäten, Zeugen, Vermittlung

Sektionsleitung

Sektionsbeschreibung

Gelegen an zwei geografischen Randpunkten in Südwest- und Zentraleuropa und getrennt durch eine Entfernung von annähernd 2.200 Kilometern werden Portugal und Sachsen nicht als primäre Bezugspunkte für Sprachkontakte perzipiert. Und doch hat die über Portugal hinausreichende lusophone Welt in Sachsen ihre Spuren hinterlassen, welche, bedingt durch einen Sprach- und Kulturtransfer, zurück bis in das 17. Jahrhundert verfolgt werden können. Die Suche nach ausgewählten Spuren in Sachsen, deren Sichtung und Erforschung Anliegen dieser Sektion im Rahmen des 15. Deutschen Lusitanistentages ist, verfolgt das Ziel, kaleidoskopartig Formen, Muster, Bewegungen und Verbindungen der Sprach- und Kulturgeschichte zwischen portugiesischsprachiger Welt und Sachsen im Spiegel von Vergangenheit und Gegenwart aufzuzeigen.  

Aufgeteilt in zwei Bereiche widmet sich die Sektion zunächst Sprachzeugen, Kunst- und Kulturgütern, Artefakten und Zeugnissen persönlichen Austausches mit der lusophonen Welt.  Der einstige Dresdner Hof um die sächsischen Kurfürsten und Könige sowie einflussreiche adlige Staatsmänner wie Heinrich von Bünau (1697-1762) und Heinrich von Brühl (1700-1763) prägten durch ihre Sammelleidenschaft, die sich vor allem auf die Medien der Kodizes, Gemälde und Kunstobjekte erstreckte, die mondäne Ausstattung adliger Bibliotheken, Kunst- und Wunderkammern und repräsentieren eine Dresdner Verbindung zu den „Novos Mundos“ (Kraus/Ottomeyer 2007) im spätbarocken Zeitalter. Die interdisziplinäre Forschung an den sprachlichen Zeugen, welche in Handschriften tradiert sind, bietet einen einzigartigen sprachgeschichtlichen Einblick, erlaubt Rückschlüsse auf historische Varietäten und leistet durch ihre Provenienzen Beiträge zum Aufbau eines weltumfassenden lusophonen Sprachen- und Kulturnetzwerkes. Der damit in Verbindung stehenden Frage, inwiefern gesammelte Objekte Ausdruck einer Faszination für den zu untersuchenden Sprach- und Kulturraum darstellen, wird exemplarisch nachgegangen. Dass diese Zeugen und Kuriositäten nicht ohne einen persönlich-individuellen Austausch nach Sachsen gelangt sein konnten, zeigen Entdeckungsreisende wie Zacharias Wagner (1614-1668), die lusophonen Studierenden des Königlichen Konservatoriums der Musik in Leipzig und dynastisch motivierte Heiratsprojekte von Adligen wie die Hochzeit von Maria Anna von Portugal (1843-1884) mit Georg von Sachsen (1832-1904) im Jahr 1859. Ebenso zeugen im 19. Jahrhundert das Novo diccionario da lingua portugueza e alemã (Michaelis 1887/1889) der Leipziger Romanistin Henriette Michaelis (1849-?) und die Briefe sächsischer Auswanderer, beispielsweise jene von Ida und Ottokar Dörffel (1818-1906), von einem schriftlichen Austausch zwischen der lusophonen Welt und Sachsen. Das Ende dieses ersten Bereiches bilden die 1880er- Jahre und der in dieser Zeit zu verortende Tod von Maria Anna von Portugal, welcher stellvertretend für das – so scheint es – Erschlaffen dieser Beziehungen in einer monarchisch geprägten Epoche steht.

Der zweite Bereich widmet sich mit Unterstützung kultureller Einrichtungen wie dem Verein Afropa e.V. und dem Kulturbüro Sachsen e.V. ehemaligen Gaststudierenden, Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeitern, welche in den 1980er- Jahren in die DDR kamen. Diese speziell auf Mosambik (und Angola) gerichtete Betrachtung zeigt eine neue lusophone Einbettung in Sachsen, die durch die Präsenz von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bekräftigt wird. Die Spuren dieser Einbettung enden jedoch nicht im 20. Jahrhundert, sondern sie lassen sich auch heute noch sowohl anhand von Sprachinseln, respektive in comunidades lusófonas, als auch im öffentlichen Leben in Sachsen nachvollziehen.

Die Fokussierung in diesen beiden Bereichen ergibt die aufgezeigte Themenstellung und deren Spezialisierung auf die Aspekte des Austausches, der Kuriositäten, Zeugen und der Vermittlung. Erbeten werden weitere Beiträge, die Sie bitte als Abstract an ralf.christoph1@tu-dresden.de schicken.

Kraus, Michael/Ottomeyer, Hans (ed.) (2007): Novos Mundos. Neue Welten. Portugal und das Zeitalter der Entdeckungen. Dresden: Sandstein.

Lieber, Maria/Klingebeil, Josephine (2021): „Hispanophonie und Lusophonie an europäischen Höfen des 18. Jahrhunderts: Der Fall Sachsen. Ein Blick auf die spanischen und portugiesischen Manuskripte der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden“, in: Ladilova,

Anna/Leschzyk, Dina/Müller, Katharina/Schweitzer, Nicolas/Seiler, Falk (Hrsg.): Bornistik Sprach- und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die Romania und die Welt. Giessen: University Library Publications, 429-446.

Marx, Barbara/Rehberg, Karl-Siegbert (ed.) (2006): Sammeln als Institution. Von der Fürstlichen Wunderkammer zum Mäzenatentum des Staates. München; Berlin: Deutscher Kunstverlag.

Matzke, Judith (2018): Von Glauchau nach Brasilien. Auswandererbriefe von Ida und Ottokar Dörffel (1854-1906). Halle/Saale: Mitteldeutscher Verlag 2018 (Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchivs, Reihe A: Archivverzeichnisse, Editionen und Fachbeiträge; 21) .

Michaelis, Henriette (1887; 1889): Novo diccionario da lingua portugueza e alemã. Parte 1 e 2. Leipzig: F.A. Brockhaus.

Rutz, Andreas (2021): „Die langen Reisen des Zacharias Wagner (1614-1668), oder: Sächsische Landesgeschichte als ,global history‘“, in: Blaschke, Karlheinz/Bünz, Eno/Müller, Winfried/Schirmer, Uwe/Schneider, Joachim (eds.): Neues Archiv für Sächsische Geschichte. Neustadt an der Aisch: Ph. C. W. Schmidt,  81-111

  • Joachim Born (Universität Gießen)
    Emiliano Chaimite (Palhota e.V. & Afropa e.V., Dresden)
    Susanne Irgard Jahn (Maputo/Konstanz)
    Gerda Haßler (Universität Potsdam)
    Judith Matzke (TU Dresden)
    Christoph Oliver Mayer (Humboldt-Universität zu Berlin)
    Ricarda Musser (Iberoamerikanisches Institut Berlin)
    Maria Radke (Berlin)
    Danilo Starosta (Kulturbüro Sachsen, Dresden)