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Frohe Weihnachten! عيد ميلاد مجيد

Die Hoffnung von Weihnachten - עִמָּנוּ אֵל

Foto: Thomas Johnen, Kairo, Masr El-Adeema, 2012

In diesen Tagen halten wir alle wieder inne und unterbrechen die Alltagsroutinen, um das Weihnachtsfest zu feiern. Die Vorfreude durch die Lichter in den Städten und vielen Fenstern und die von Martin Luther im 16. Jahrhundert ins Leben gerufene Tradition der Weihnachtsmärkte hat sich bei vielen schon mit dem Beginn der dunklen Jahreszeit eingestellt. Bei manchen werden die Alltagsroutinen durch kraftzehrende Weihnachtsroutinen ersetzt, so dass man ab und an die seltsame Wortbildung Weihnachtsstress hört (die allerdings 2023 noch nicht im Online-Duden zu finden ist).

Anderen ist in diesem Jahr wieder einmal wenig weihnachtlich zumute angesichts der von Hamas verübten Massaker in Israel, angesichts der Kriege und Bürgerkriege wie in der Ukraine, dem Sudan, dem Gazastreifen, wo eine weihnachtliche Stimmung in den christlichen Gemeinden nicht aufkommen kann (vgl. z.B.: https://www.lpj.org/posts/gaza-16th-december-2023.html) wie auch an vielen anderen Orten. Es mag keine Weihnachtsstimmung aufkommen angesichts der Gleichgültigkeit gegenüber den auch 2023 tausendfach Ertrinkenden im Mittelmeer, der zunehmenden Versuche der Kriminalisierung von Seenotrettung, angesichts der politischen Diskurse, die das Leid der vor Krieg und Verfolgung Flüchtenden aus dem Blickfeld verdrängen, und in der Folge diese Menschen von manchen Kreisen gebetsmühlenartig zum größten Problem und zur Bedrohung der Gesellschaft deklariert werden.

Doch auch in der gegenwärtigen Situation enthält die Weihnachtsbotschaft Hoffnung, die oft unter den Geschenkpapierbergen und glitzerndem Lametta verborgen bleibt. Wir alle wissen, christlich wird zu Weihnachten seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. die Geburt Jesu gefeiert, christlich gesehen nicht mehr und nicht weniger als die Menschwerdung Gottes in einem Kind, was uns durch die vor genau 800 Jahren 1223 von Franz von Assisi eingeführten Krippen auch immer wieder veranschaulicht wird.

Allerdings waren jedoch Erzählungen von Jungfrauengeburten und der Menschwerdung von Göttern in der antiken Welt nichts Ungewöhnliches, worauf nicht nur der Philosoph Ernst Bloch in seinem Werk „Das Prinzip Hoffnung“ hinweist, bemerkenswert sind vielmehr die prekären Umstände der Geburt Jesu in einem Stall und in einer einfachen Familie (cf. Bloch 1985: 1482ff.). So berichtet das Lukasevangelium, dass nach der beschwerlichen Reise aus Nazareth bei der Ankunft der hochschwangeren Maria in Bethlehem, also in einer aus römischer Sicht absolut peripheren Provinzstadt des römischen Reiches und weitab vom Machtzentrum Rom, die Zeit kam, „dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe: denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“ (Lk, 2,6-7, Lutherbibel, Version 1964).
Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass diese Situation das Gegenteil ist von vielen romantischen Weihnachtsbildern, die uns seit Kindheit begleiten. Selbst der Bilderzyklus, den die portugiesische Malerin Paula Rego für die Kapelle des portugiesischen Präsidentenpalastes zu diesem Thema mit drastischeren Bildern als wir gewohnt sind, erstellt hat (https://www.p55.art/blogs/p55-magazine/da-anunciacao-a-adoracao-o-natal-contado-por-paula-rego) erscheint noch verharmlosend.

Aber es kommt laut der Weihnachtserzählung im Matthäus- und Lukasevangelium bekanntlich für die Familie Jesu noch schlimmer. Kurz nach der Geburt Jesu müssen sie mit dem Neugeborenen, ohne vorher nach Hause zurückkehren zu können, vor der Verfolgung durch Herodes, der den neugeborenen Jesus als Bedrohung seiner Herrschaft ansieht, nach Ägypten fliehen, wo sie Asyl erhalten (was bemerkenswerterweise, wie das Foto des koptischen Papyrus aus dem Jahre 2012 zeigt, bis heute in Ägypten im kollektiven Gedächtnis geblieben ist).

Die Botschaft des Weihnachtsfestes ist also die absolute Solidarität Gottes mit allen, die in verzweifelten und prekären Umständen leben, die am Rande der Gesellschaft leben müssen, Solidarität mit allen, die aufgrund von Gefahr für Leib und Leben flüchten müssen. Aus dieser Solidarität erwächst die Hoffnung von Weihnachten und es ist an uns, wenn wir die universale Botschaft von Weihnachten ernst nehmen, diese Solidarität und diese Hoffnung zu leben. Es bedeutet aber auch, dass wir nicht aufgrund von Leid und Ungerechtigkeit in der Welt verzweifeln müssen. Beides – und das ist die Hoffnung von Weihnachten - wird nicht das letzte Wort haben. Es gibt Licht in der Dunkelheit.

In diesem Sinne wünsche ich allen
圣诞节快乐! Žohnowane hody! Merry Christmas! Frohe Weihnachten! ¡Feliz Navidad! Joyeux Noël! Feliz Nadal! Feliz Natal! Feliç Nadal! Καλά Χριστούγεννα! Veselé Vanoce! Crăciun fericit! Veselé Vianoce! Eguberri on! Buon Natale! С Рождеством Христо́вым! З Різдвом Христовим! Wesołych Świąt Bożego Narodzenia! God Jul! Zalig Kerstfeest!
Thomas Johnen, Dekan

Bibliographie
Die Bibel oder Die Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments nach der Übersetzung Martin Luthers. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 1982.
Bloch, Ernst (1985): Das Prinzip Hoffnung. 5 vol. Frankfurt am Main: Suhrkamp.