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Sommer 2017 in Autodeutschland:
Der Dieselskandal wabert durch Bundes-
tagswahlkampf und Medien und rüttelt
an den Grundfesten der deutschen Wirt-
schaft, der Elektromotor wird weiterhin
großspurig belächelt und die Brennstoff-
zelle? Um die ist es erstaunlich ruhig ge-
worden. Wer letztere Aussage sofort
unterschreiben würde, der war noch
nicht im Büro von Prof. Dr. rer. nat. Dipl-
Ing. Ulrike I. Kramm an der Technischen
Universität Darmstadt. Die 37-Jährige ar-
beitet gemeinsam mit ihrem 14-köpfigen
Team daran, der Brennstoffzelle zum
Durchbruch zu verhelfen. „In Europa
wird etwa ein Drittel der Energie im
Transportsektor umgesetzt, wobei der
Großteil davon auf der Straße anfällt. Der
damit verbundene CO
2
-Ausstoß könnte
erheblich reduziert werden, wenn an-
stelle der Verbrennungsmotoren die
Fahrzeuge mit Elektromotoren angetrie-
ben würden, die ihre Energie zum Beispiel
aus der Brennstoffzelle erhalten könnten.
In der Protonen-Austausch-Membran-
Brennstoffzelle wird die chemische Ener-
gie, die in Wasserstoff und Sauerstoff
gespeichert ist, durch die ,leise’ Verbren-
nung in elektrische Energie und Wasser,
als einzigem Reaktionsprodukt, umge-
setzt. Ein wesentliches Problem, das den
kommerziellen Durchbruch der Techno-
logie verhindert, ist der zur Zeit noch
große Bedarf an teurem Platin, der die
chemischen Reaktionen katalysiert”, er-
zählt die Professorin. In ihrer Arbeit kon-
zentriert sie sich auf die Entwicklung
edelmetallfreier Brennstoffzellenkatalysa-
toren, um damit das Platin eines Tages
ersetzen zu können.
Auf das Potenzial der Brennstoffzelle
wurde sie während ihres Studiums der
Physikalischen Technik, Schwerpunkt
Umwelttechnik an der Westsächsischen
Hochschule Zwickau (WHZ) aufmerk-
sam. Erste Berührungen mit der Kataly-
satorforschung hatte sie, als sie ihre
Diplomarbeit mit dem Titel „Herstellung
und Charakterisierung von Titanoxinitrid-
schichten für die photokatalytische Was-
serspaltung” extern am Hahn-Meitner-
Institut in Berlin schrieb. Für ihre Leistun-
gen erhielt sie seinerzeit vom WHZ-För-
derverein den Kirchhoff-Hummel-Preis.
Aber das ist wieder ein anderes Thema.
Was viel wichtiger ist: „Damals bin
ich davon ausgegangen, dass ich meine
Diplomarbeit schreibe und am Ende eine
Antwort habe. Das war ein Irrtum. Am
Ende hatte ich eine halbe Antwort und
acht weitere Fragen”, erzählt sie. Diese
Erfahrung habe sie ihr gesamtes bisheri-
ges Leben als Wissenschaftlerin begleitet.
Nach dem Studium in Zwickau blieb sie
am Hahn-Meitner-Institut Berlin, es folgte
die Promotion an der Technischen Uni-
versität Berlin und dem Helmholtz-Center
Berlin. Dann kam ein Postdoc in einer ka-
nadischen Gruppe, eine Zwischenstation
an der Brandenburgisch Technischen Uni-
versität Cottbus-Senftenberg und eine
Gastprofessur an der TU Berlin, bevor sie
im März 2015 den Ruf auf eine auf sechs
Jahre befristete Juniorprofessur „Katalyse
und Elektrokatalyse” an den Fachberei-
chen Chemie sowie Material- und Geo-
wissenschaften der TU Darmstadt folgte.
Dort forscht sie mittlerweile sehr er-
folgreich. Dafür spricht, dass es ihr unter
anderem gelungen ist, beim Nachwuchs-
programm „NanoMatFutur” des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung
eine Million Euro für ihre Nachwuchs-
gruppe „Fe-N-C-StRedO" einzuwerben.
„Mit der Förderung und meiner Grund-
ausstattung habe ich jetzt endlich die
Mittel und Manpower, mich ganz meiner
Forschung zu widmen”, sagt die 37-Jäh-
rige. Sie selbst steht nur noch sehr selten
im Labor, verbringt die meiste Zeit am
Schreibtisch, wo sie mit den Mitarbeitern
ihrer Forschungsgruppe deren Ergebnisse
bespricht, weitere Forschungen und Vor-
träge vorbereitet und Anträge schreibt.
Professorin hat sich der Brennstoffzelle verschrieben
Prof. Dr. Ulrike Kramm von der TU Darmstadt begann Laufbahn einst an der WHZ
Prof. Dr. Ulrike I. Kramm.
„Ich habe immer gern im Labor gearbei-
tet, finde es jetzt aber auch ganz schön,
dass ich anderen meine Ideen mitgeben
kann, damit diese dann umgesetzt wer-
den", erzählt die Professorin.
An ihre Studienzeit in Zwickau denke
sie immer noch gern zurück. „Allen, die
sich mit dem Gedanken tragen, Physika-
lische Technik zu studieren, kann ich den
Studiengang in Zwickau nur empfehlen",
sagt sie. Die Ausbildung sei breit aufge-
stellt, das Studentenleben immer sehr
schön gewesen. Und welchen Tipp hat
sie für Studenten, die mit dem Abschluss
in der Tasche Karriere in der Wissenschaft
machen wollen? „Wenn man sich für
eine Karriere in der Wissenschaft interes-
siert, hat man, wenn man entsprechend
motiviert ist, sehr gute Erfolgsaussich-
ten.” Sie selbst ist der beste Beweis, dass
da etwas dran ist. (CW)
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ALUMNI
2005 erschien ein Flyer der Fakultät
Physikalische Technik/Information
mit Ulrike Kramm als Studentin auf
der Titelseite. Heute publiziert die Ab-
solventin in angesehenen Magazinen
wie Nature und ist als Gutachterin für
Zeitschriften wie Energy and Environ-
mental Science oder das Journal of
the American Chemical Society tätig.
Darüber hinaus kann sie auf 36 Publi-
kationen verweisen.
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